Emmas Traummann
Emma sucht im Internet
Ihren Mann fürs Leben
Nicht arm, nicht alt, nicht dumm, nicht fett
Einen Traummann eben
Die Sehnsucht wird nun digital
Die Wünsche sind vernetzt
Mit Klicks und Bytes in großer Zahl
Sie durch die Netze hetzt
So surft sie nun schon lange Zeit
Mit Laptop in der Diele
Fast ist sie digital schon leid
Es sind einfach zu viele
Sie macht sich jünger, schöner, klüger
So süß wie sie nur kann
Fühlt sich dabei nicht als Betrüger
Es tut doch jedermann
Emma hat doch Glück am Schluss
Ein Schnittchen sondergleichen
Das sie dringend treffen muss
Dazu noch einen Reichen!
Als sie ihn schließlich endlich hat
Ihr digitales Wunder
Ist dieses klein, dumm und aalglatt
Sein Bauch ist auch viel runder
Frustriert kehrt sie zurück zur Bahn
Will keinen Mann mehr sehen
Da schauen sie zwei Augen an
Sie kann nicht widerstehen
Die öffnen sanft ihr Traumgefühl
Dick ist er, klein doch nett
Er ist zwar arm aber nicht kühl
Mit ihm liegt sie im Bett
Zweisamkeit
Zwei wackelige Zahnprothesen
Wären so gern ein Zahn gewesen
Sie hätten so viel stärker Halt
Von unten wären sie niemals kalt
Auch können sie die nicht mehr riechen
Die sich in jeden Schlitz verkriechen
Sie hassen dieses Raus und Rein
Sie wollen lieber drinnen sein
Sie hätten dann nicht Nacht um Nacht
In einem Glas Odol verbracht
Und trügen in sich vornehm Gold
Das nicht mehr aus dem Zahnloch rollt
Den einzigen Ausweg, den sie sehen
Ist nicht mehr aus dem Mund zu gehen
Sie krallen sich am Nachbarn an
Der ihnen selbstlos helfen kann
Doch als sie dann die Bürste fühlen
Und nachher dieses kalte Spülen
Die scharfe Pasta Frisco-Dent
Die keiner der Prothesen kennt
Da wollen sie wie in alten Zeiten
Lieber durch die Lippen gleiten
Und sehnen sich, der Mund wird weit,
Allein im Glas Odol zu zweit
Liebe im Liegewagen
In einem DB-Liegewagen
Will er ihr seine Liebe sagen
Doch ist der Zug zu schnell, zu laut
Zum Fenster dreht sich seine Braut
Sie sieht die Felder, sieht die Auen,
Wird er im Zuge sich jetzt trauen
Doch sein Mut ist fast hinüber
Seine Stimmung, sie wird trüber
Er fragt sich, soll ich dennoch wagen
Ihr meinen Antrag anzutragen
Der Gang ist eng, die Betten schmal
Oder doch ein anders mal?
So gehen in dem rasanten Zug
Vorbei die Stunden wie im Flug
Im Liegewagen wird es leise
Und jeder träumt auf seine Weise
Am Morgen wird die Sonne hell,
Er denkt bei sich jetzt aber schnell
Doch als er flüstert: “Willst du mein…“
Fährt der Zug im Bahnhof ein.
Jetzt will er bis zur Rückfahrt warten
Zum Offenlegen seiner Karten
Doch dazu wird es nicht mehr kommen
Der Nachtzug wird vom Plan genommen
Abseits
Den Fuß am Ball
Schießt der Tor
In die Menge der hastenden Trikots
Den Kasten vor Augen
Die Ecken im Blick
Überkommt ihn ein Sehnen
Übermannt ihn ein Fluch
Abseits des Spiels
Vergisst er den Schlag
Kehrt verhöhnt und
Erfolglos froh
In die Kabine
Zurück
Lustlawinen
Bepackte Lawinen rollen
Am Morgen zum glühenden Strand
Breiten ihr dürftiges Sein
Aus Taschen quellen
Habseligkeiten im Sommer
Sagt der Vater zu Sohn
Schimpft Mutter
Barbusig wackeln nymphig
Auf sandigem Grund lässt
Sonne sich tanken vergebens
Sucht Käfer Schatten am Schirm
Hängen Flaschen und kühlen
Sich Schwellkörper ab
Im graugrünen Wasser
Kreischen pinkelnde Kleine
Von hellblauen Quallen umgarnt
Sieht man Wellen Sich brechen
Das ist das Leben
Entfährt es vollmundig dem Dicken
Ist nichts heiß genug
Genug! Ruft er zu den Dünen
Wo Junge zapplig im knirschenden Sand
Kopulieren als Nackte
Zeugen Sie
Weiteres Glück
Gehabt mit dem Wetter
Zischt die schmallippige Alte
Die zittrig Kippen zertritt
Am dornigen Zaun
Mit BILD sich die Birne zu kühlen
Sitzt am Rand ein spannender
Krimi ist gut
Sagt der Sohn
Mit gebräunt dummer Miene
Zeit totschlagen sieht man sie
Einheizen für Morgen
Rollen sie wieder
Lawinen hinab zu den Stränden
Auf ein neues Verweilen
Im brennenden Grund
1.0 : Gaby im Glück
Auf einer Großstadtshoppingmeile
Hat Friedhelm Müller Langeweile
Denn Gaby dreht nun schon seit Stunden
Begeistert ihre Shoppingrunden
Mal kauft sie voller Seelenruhe
Das wievielte Paar Sommerschuhe
Mal lässt sie keinen Gürtel liegen
Denn sie kann keinen schöneren kriegen
Doch manchmal ist ein Teil zu klein
Sie kommt nicht in die Bluse rein
Er holt dann L, schließlich XL
Verdeckt die Nummer aber schnell
Will wegen einer Kleidergröße
Im Laden hier kein Frustgetöse
Vor jedem Spiegel bleibt sie stehen
Er will genervt nach Hause gehen
Zu allem sagt er Ja und Amen
Schaut aber oft zu andren Damen
Denn in so mancher Shop-Kabine
Entdeckt er eine flotte Biene
Doch einmal strahlt auch Friedhelm Müller
„Der kurze Rock ist echt ein Knüller“
Sie kann darin zwar ganz schlecht laufen
Doch deshalb soll sie ihn ja kaufen
Er trottet wie ein treues Schaf
Zu lange hinter Gaby, brav
Denn schließlich tun bei P und C
Ihm seine müden Füße weh
Auch Euros sich zum Ende neigen
Sie muss ihm noch die Leggings zeigen
Die Tüten voll, das Konto leer
Nach Hause jetzt, ihr fällt das schwer
Doch nächste Woche, das ist sicher
Ist er beim Shoppen auch nicht frischer
Selbst wenn die Schränke überlaufen
Wird Gaby ständig weiterkaufen
Für ihn ist dies Konsummodell
Bei Frauen eher hormonell
Entspannt lehnt Friedhelm sich zurück
Und wünscht der Gaby Shopping-Glück
2.0 : Friedhelms Autoviren
Auf einer Großstadtautomeile
Hat Gaby Müller Langeweile
Denn Friedhelm dreht nun schon seit Stunden
Begeistert seine Sehnsuchtsrunden
Und schaut voller Adrenalin
Zu so manchem Fahrzeug hin
„Der Porsche jetzt in neuem Kleid!“
Vergisst er Gaby, vergisst die Zeit
Ist der Wagen Megachick
Bekommt er den extremen Kick
Die vielen Schalter – ihm nicht geheuer
Setzt er sich dennoch hinters Steuer
Im Geiste gibt er mächtig Power
Doch seine Frau wird ziemlich sauer
„Hat der Mann nicht andre Sorgen
Muss er sich solche Träume borgen!“
Einen mit dem Silber-Stern
Hätte Friedhelm Müller gern
Doch neben dem aus Sindelfingen
Mag er auch den mit den vier Ringen
Friedhelm kann sich nicht entscheiden
Er kann auch den aus Bayern leiden
Da hinten diese Sportkarosse
Ist leider nur für dicke Bosse
Gaby denkt an zu Hause, kochen, waschen
Will einen Kombi für die Flaschen
Friedhelm hört ihr dabei nicht zu
Der Bentley lässt ihm keine Ruh
Doch als er dann die Preise hört
Ist Friedhelm schwer erschreckt, empört
Zum Trost kauft Gaby ihm dann schnell
Den Bentley als Metallmodell
Zu Hause dann in dem Car-Port
Steht ihr alter, treuer Ford
Er will den Schrott schön längst entsorgen
Lieber heute noch als morgen
Für sie ist das Konsummodell
Bei Friedhelm eher sexuell
Sie lässt ihm seine Autoviren
Will ihren Liebsten nicht verlieren
Kaufrausch
In zu engen Gassen glotzen
Sich gierig Gaffer im Takt
An prallen Fenstern Nasen
Und sehnsüchtig Herzen platt
Den Kopfsprung in Berge von Bügeln
In Wellen von weichem Gewand
Verschafft der Moment lang die Lüge
Als sei dieses Tauchen in Tiefen
In Farben und Stoffen und Tand
Das Größte der Vergnügen
In diesem unserm Land
Bepackt wie willige Esel
Ermattet vom wühlenden Wahn
Schiebt sich befriedigt die Masse
In Kiste und Loch zurück
Bearbeitet Schränke und Spiegel
Verdrehen sich Auge und Hals
Verkleidet in immer neuem
Buntbedruckten Textil
Verwechselt die blinde Seele
Mal wieder den Weg mit dem Ziel
Klassenweiche
Beim Arzt gibt es heut Klassenweiche
Private hier und da die Kasse
Hier trennen Arme sich und Reiche
Doch Kasse allerdings ist Masse
Im Krankenhaus spür ich es gleich
Das P auf meiner Karte –
Bin ich privat und bin ich reich
Ich nicht so lange warte
Und auch der Arzt von nebenan
Ein Könner seiner Klasse
Schaut mich viel intensiver an
Denn ich bin halt nicht Kasse
Ganz heimlich freut der Doktor sich
Am Ende vom Quartal
Für ihn ist P der bessre Fisch
Es bringt die höchste Zahl
So stirbt man schlecht auf Krankenschein
Man wird nur kurz betrachtet
Kommt schneller in das Grab hinein
Der nächste Patient wartet
Beste Gesellschaft
Wenn die Idee sich in sich selbst verliert
Und eine Braut sich vor dem Jawort ziert
Wenn am Morgen die Sonne nicht aufgeht
Und im Kreisverkehr eine Landkuh steht
Wenn die Mikrowelle eine Welle macht
Und der Karren einen greisen Wolfshund karrt
Wenn ein Tiefseefisch sich am Meerwasser verschluckt
Und der Blinde lange auf den Fahrplan guckt
Wenn sich der Wecker seine Stunden holt
Und die Kohle in ihrem Kohlenkeller kohlt
Wenn die Hoffnung durch die Zukunft stirbt
Und ein Massenmörder um Verständnis wirbt
Wenn die Liebe an sich selbst zerbricht
Und der Liebende sich eine andre fischt
Dann mach dein Kreuz
Und denk daran
Du bist in bester Gesellschaft Mann
Müssen müssen
Auf einem weißen Plastikthrönchen
Sitzt tief betrübt ein Muttersöhnchen
Schon Stunden sitzt er stumm und drückt
Was seine Mutter nicht verzückt
„Du musst nur müssen“, sagt sie laut
Der Junge sich jetzt erst recht nicht traut
Er will ja müssen, auch wenn er nicht kann
Drum zieht er sich langsam die Hose an
Als ein kleiner, warmer Strahl
Verlässt den Jungen ohne Qual
Die Mutter will ihn vor Freude küssen:
„Wenn man nur will, kann man auch müssen“
Werbung light
Über den Wolken
Der Werbenation schwebt
Vorabendprogrammiert light
Das mundgeruchlose Wesen
In immer neue Bilderwelten
Aufgefüllt bis an den Rand
Von der Leichtigkeit des Colaseins betäubt
Von Weichspülern rein
Von lila Pausen durchbrochen
Taucht das Lächeln duftend
Ins Koffeinaroma ein
Ohne Deo kein Glück
Hält den Drang schließt After
Wie save ist der Sex doch heute
Wie gestern nur junge Verliebte
Drehen Klappe die Erste
Verstummt glotzt Hungerreiz
Bei Stromausfall
Sommerloch
Wie seidene Glut
Lässt die Hitze die Straße erstarren
Verstorben Verkehr
Nur vereinzelt quält sich ein Hund
Vor rostigen Rollos steigt
Schweiß des Pflasters zum Himmel
Stinkt stehende Luft
Modrig empor
Parkuhren gekrümmt
Von Strahlen geschwächt
Blinzeln Ampeln müde auf
Gleißenden Asphalt
Wo selbst trächtige Bäume
Schatten suchen Grillen hinter
Stinkenden Tonnen
Ratten ihr dürftiges Mahl
Das hellfeuchte Wasser
Der Erlösung am Ende der Straße
Nichts als Täuschung der Sinne
Das hochtönige Zirpen belegt die Gefühle
Verdorrt liegt der Bach
Aus tiefen Höhlen glotzen
Tropflose Augen
Ein Schild klappert müde
Der Schritt wird zur Qual
Lugt aus Löchern der Sommer
Lustlos jaulen Katzen
Hält noch Monate an
Abendsonne
Am dunkelroten Horizont
Sich eine Abendsonne sonnt
Sie hat den ganzen Tag geschienen
Und will mit ihrem Licht noch dienen
Sie möchte heut nicht untergehen
Das kann der Mond nun nicht verstehen
Er wartet schon im Hintergrund
Er nicht voll, er ist halbrund
Und mit ihm warten tausend Sterne
Man sieht sie leuchten schon von Ferne
Sie wollen wie in jeder Nacht
Auf ihre Bahnen, kurz nach halb acht
Die Sonne sich noch immer ziert
Doch irgendwann auch sie verliert
Im Nirgendwo erstirbt sie leise
Auf ihre dunkelrote Weise
Erst nach der langen, finstern Nacht
Die Sonne wieder Kraft entfacht
Der alte Federball
Es fliegt ganz ohne lauten Knall
Ein altersschwacher Federball
Er dient schon lange Jahr um Jahr
Geduldsam seinem Sportler-Paar
Doch ständig fliegen wie am Seile
Wird selbst für ihn zur Langeweile
Da denkt er einen Trick sich aus
Und fliegt aus seiner Bahn heraus
Er fliegt recht hoch und fühlt sich frei
Die Zwangsarbeit ist nun vorbei
Er fliegt im Kreis, dreht Pirouetten
So kann er seinen Selbststolz retten
Die Schläger nun vergeblich schlagen
Und auch dem Sportpaar platzt der Kragen
Was macht man denn in diesem Fall
Ganz ohne einen Federball?
So zeigt sich in dem Sport-Gedicht
Beachte stets den kleinsten Wicht!
Totensonntag
Ganz in Gedanken
Toten gedenken
Voll emsiger Betriebsamkeit
Trostblumen stecken
Wie Kerzen zünden
Oma Lenchen ist wieder
Laub geblättert
Im Augenwinkel die von
Nebenan hat auch schon
Neue billige Gestecke
Ach Oma Lenchen
Was würden Deine
Müden Glieder sagen
Zu all dem Wischen und Schneiden
Dem Säubern und Kehren
Den prüfenden Blicken
Über die Kleinstgärten
Ohne Zaun fast idyllisch
Dann nichts wie weg
Vom Acker
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