Wir befinden uns in den 90ern, diesem Jahrzehnt, in der die Digitalisierung Fahrt aufnahm und Geräte wie das mobile Telefon und der Computer langsam Teil des Alltags der Menschen zu werden begann.
Wichtiger Meilenstein dieser Entwicklung war das Jahr 1989, als Tim Bernes-Lee und Robert Caillau in Genf das „Worl Wide Web“ (www) entwickelten, also ein Protokoll, das Nutzern ermöglichte auf Informationen zuzugreifen, die auf riesigen, entfernten Servern gespeichert waren.
Das war der Beginn des für uns heute so selbstverständlichen Internets. Als jemand, der damals unmittelbar an der digitalen Entwicklung beteiligt war, wurde ich gebeten, das Buch: “Die Cyberdiktatur“ von David Brown für das Buchjournal zu besprechen, der einer der damals ersten Kritiker der sich schleichend entwickelnden digitalen Revolution war. Hier der Text einer Zukunftsversion aus der Vergangenheit:
Die Geschichte wird immer wieder erzählt, findet aber kaum Gehör – Cyberspace, digitale Techniken und weltweite Netze werden die Menschen in Zukunft aufspalten in zunehmend mächtiger werdende „Digerati“ – Glücksritter des digitalen Austausches – und kleine, machtlose Gemeinschaften ohne Medien, PC und Netzanschluss.
David Brown, Wirtschaftsjournalist und Medienskeptiker, legt in seinem neuen Buch „Cyber-Diktatur – Das Ende der Diktatur im Informationszeitalter“ den Finger auf die digitale Zukunftswunde. Er glaubt nicht, dass das momentane gigantische elektronische Netzwerk einen unaufhaltsamen Demokratisierungsschub bewirkt – ganz im Gegenteil. Gegen die schöne neue Datenwelt setzt er „Datenautobahnen, die sich als Boulevard zerplatzter Träume“ entpuppen: “Statt in einer schönen, neuen Welt zu landen, werden wir uns in einer Gesellschaft wiederfinden, die zersplittert ist in rivalisierende Lager und in der die unheilvolle Atmosphäre gegenseitigen Unverständnisses, permanenten Verdachts und schweigender Unruhe herrscht“. In den digitalen Zeichenketten von Nullen und Einsen wird letztendlich alles, vom Zebra bis zum Baum, der digitalen Axt zum Opfer fallen.
Schnittstelle von Mensch und Maschine wird ein gigantischer Fernsehen sein, bei dem jeder „Bedienungsfehler einem ökonomischen Selbstmord gleichkommt“. Eingeschweißt im Konkon der programmierten Einsamkeit wird das tägliche Leben zunehmend in einen „Rechenmodus umkonfiguriert“ werden.
Bei der heutigen Euphorie weltweiter Netze und digitaler Techniken, die in erster Linie dazu dienen, neue kommerzielle Möglichkeiten zu schaffen, ist ein solches, hoch fundiertes und zukunftsorientiertes Buch wichtiges Gegengewicht. Doch wer hört beim heutigen Digi-Fieber noch technik-kritische Rufe?
Heute, fast 25 Jahre nach erscheinen des Buches kann nun jeder und jede selbst prüfen, ob die z.T. dramatischen Zukunftsprognosen des Medienkritikers eingetroffen sind. Sicher hat die digitale Revolution weite Bereiche der Alltagskultur aller Generationen, vom Kind bis zum Greis, erreicht, doch sicher ist – und wird – nicht alles der digitalen Axt“ zum Opfer fallen. Ein wenig erinnern solche Technikzukunftsängste an die Sorge Menschen, sie würden aussterben, als sie mit lautem Zischen die erste Eisenbahnlokomotive auf Schienen fahren gesehen haben…
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