„Mit anderen Worten“ Der Literaturverein ERA e.V. stellte seine neue Anthologie vor
Der ERA.e.V, der von der Stadt Ratingen geförderte Verein für Literatur, stellte am Sonntag, 24.Oktober bei seiner 124. Veranstaltung (!) seine neue, siebte Anthologie mit dem Titel: „Mit anderen Worten“ vor.
Wie gewohnt war die Veranstaltung geprägt nicht zuletzt durch den Ort, dem fensterlose Theaterraum in der KulturKneipe/LUX, der durch seinen fast höhlenhaften Charakter dem Zuschauer, der Zuschauerin viel Raum für konzentriertes Hören, Genießen und Verarbeiten der Texte ermöglichte. Barbara Ming, eine Vereinsvorsitzende, die über viele Jahre hinweg ERA aufgebaut, geprägt und zu seiner heute hochwertigen Qualität gebracht hat, machte den mit ihrer einfühlsamen und angenehmen Stimme und das Musikduo Max Maxelon (Violoncello) und Inge Starck-Grohs (Klavier), die Veranstaltung einmal mehr zu einem besonderen Erlebnis, auch wenn es dem zweiten Vortragenden dem Schauspieler Klaus-J. Pawöhner aus Gelsenkirchen, nicht so recht gelang, eine Beziehung zum Publikum aufzubauen.
In der Mitte der Bühne zwischen den beiden Lesern und dem Musikduo, wurde auf der großen Leinwand eine PowerPoint Präsentation mit dem Titel der Veranstaltung „Mit anderen Worten“ abgespielt, die leider ein wenig die Konzentration vom Eigentlichen, den Texten, ablenkte. Die Präsentation zeigte aber ein interessantes Buchstabenexperiment, bei dem der Titel der Veranstaltung in jeweils anderen Buchstaben aus unterschiedlichen Alphabeten, z.B. Blindenschrift, Morse- und Fahnenbuchstaben usw. abgespielt wurde. Hier ging es in der Tat um das Andere (Jeweils andere Buchstaben) bezogen auf das den Schriftzug, das Wort.
Dem Text selbst, unter dem Titel „Mit anderen Worten“ gelang dieses Experiment leider nicht, nämlich mit jeweils anderen Worten (Prosa, Lyrik usw.) ein vorgegebenes Thema zu beschreiben. Ein solches ist allerdings immer nötig, wenn es um ein Anderssein, um Variationen oder anderen Interpretationen geht. So beziehen sich die z.B. die Goldberg-Variationen Bachs, einen „Höhepunkt barocker Variationskunst“ (Wikipedia), um ein musikalisches Grundthema. Ebenso in der Malerei, wo z.B. eine Landschaft als gemeinschaftliches Thema von jedem Maler anders dargestellt wird. Genau dies wäre in der Literatur dann der Fall, wenn sich die Schreibenden einem vorgegebenen Thema aus ihrer eigenen, aber anderen Sicht und Form ranken würden. So präsentierte jeder seinen Text eine natürlich jeweils anderes, individuelle Form, einen eigenen Inhalt, ohne Bezug eines Andersseins einem Thema gegenüber. Unabhängig von dieser Differenz von Titel und Inhalten der Anthologie gibt es natürlich erstklassige, wunderschöne Texte wie „Fluch“ bei dem Anke Breuer in kurzen Sätzen oder Satzsegmenten ihre inneren Stimmen nach außen trägt. Oder das kurze Gedicht „Tintenakne“, in dem Barbara Ming die Alltagskultur des Tätowierens in Worte fasst. Allerdings hätte man sich bei den vorgetragenen Texten eine Personalisierung gewünscht, nicht zuletzt auch deswegen, weil es oft schwer war, das Ende eines jeweiligen Textes und den Neubeginn des folgenden zu unterscheiden.
Liest man die gesamte Anthologie, so spürt man ein wenig die Schwere der Welt, vielleicht dem heutigen Weltgeschehen geschuldet, mehr als ein Augenzwinkern und Humor, der ebenso zur Literatur gehört wie der Tiefsinn des Daseins.
Trotz der kritischen Bemerkungen war die Veranstaltung gelungen und am Ende wurde man wundervoll getragen vom Nachhall der Texte. K24Kurat/25.10.2016