„ZZZ-Zeltstadt Zeche Zollverein“

Roman von Bernd Desinger

Svenja Kupschus, Saxophon

Zum ersten Mal las im K24Kultursalon ein Romanautor, Bernd Desinger, begleitet von einer jungen Saxophonisten, Svenja Kupschus, 17 Jahre, die die einzelnen gelesenen Abschnitte improvisatorisch mit ihrem Instrument ergänzte.

Das war sicher ein Experiment, trafen doch zwei Generationen, zwei Geschlechter und zwei Medien aufeinander und  keinem war vorher klar, wie diese nicht geprobte Musik-Lesung ausgehen würde.

 

Es ging um den Zukunftsroman „ZZZ-Zeltstadt Zeche Zollverein“, einen Krimi, der 2032 spielt und mit einer spannenden Geschichte aufwartet. Schon zu Beginn des Abends ging es um  zwei aus der Literaturwissenschaft entnommene Begriffe zum Genre Zukunftsroman, nämlich der „Utopie“, einer meist positiven Sicht der Zukunft und der „Dystrophie“, einer düsteren Vision, z.B. das Zerbrechen eines politischen Systems oder einer sozialen Ordnung. Am Ende sollten die Zuhörer selbst entscheiden, ob sie den Roman, die Musik und Diskussion, kurz den gesamten Abend als dysthopisch oder utopisch empfanden.

Zur Geschichte des in Essen spielenden Krimis: In den ehemaligen Zeltstädten der  früheren Flüchtlingslager- Zeltstadt Zeche Zollverein oder im Jargon ZZZ –  sind nun die verarmten Alten eingezogen und führen in dem Ghetto ein „lausiges Lagerleben“. Die DM war wieder eingeführt, die EU aufgelöst und die Technik hatte sich enorm fortentwickelt zum Leidwesen der Kultur, die völlig am Boden lag. Duisburg war bereits 2025 an die Chinesen verkauft worden, ganze Teile des Landes waren übersät mit Windrädern, die Villa Hügel wurde als Asylantenheim genutzt und das Flaschensammeln wurde für die verarmten Alten oft zu einer nicht unerheblichen Einnahmequelle. Den Mord an einem derartigen Flaschensammler soll nun Kommissar Stanislav Dragovich mit seiner jungen Kollegin Cigdem Flick aufklären. Dabei geraten sie in immer dramatische Situationen und Bedrohungen, nicht zuletzt, weil die ehemaligen Stollen unter dem ZZZ als Bordell und Glückspielhöhlen genutzt wurden….

Zwischen den einzelnen Kapiteln, die der Auto las, spielte Svenja Kupschus ein wunderbares Saxophon und ließ sich improvisierend auf das jeweilige Thema des Kapitels ein, das so noch im Zuhörer und der Zuhörerin nachhallen konnte. Zum Beispiel auch, als sie bei dem Kapitel, bei dem es um die dicke Prostituierte Nelly ging, spontan den „Nelly-Blues“ erfand. Entsprechend war auch der Applaus für die junge Künstlerin.

Natürlich wurde das Ende des Romans vom Autor nicht verraten, aber bei der anschließenden Diskussion war allen klar, dass der Krimi eine Dystrophie zeichnet. Das war dann natürlich auch Thema des Gesprächs, bei dem es  nicht nur um den Roman selbst ging, sondern vor allem um die Ängste und Sorgen vor der Zukunft der Gäste in z.T. fortgeschrittenem Alter. Spannend dabei natürlich auch die Meinung der jungen Musikerin, die grade das Abitur gemacht hat und die am Beginn einer Karriere als Künstlerin steht, auf die sie mit Lust, Kraft, Lernen und zu steuert, die ihr alles andere als Zukunfts-Sorgen bereitet. Eher hohe Motivation.

Am Ende des Abends war deutlich: Das Experiment ist gelungen, Jung und Alt, Text und Musik, Mann und Frau haben vielen Gästen Unterhaltung und Inspiration verschafft und wie immer bei diesen Abenden ist neben dem Geist auch der Gaumen mit Speisen und Wein nicht zu kurz gekommen.

Schade nur, dass über 30 Personen auf der Warteliste an dem Salonabend nicht haben teilnehmen können.