Vom Winde umweht, von der Sonne verwöhnt

Fast alles außer dem Wasser selbst muss oder soll irgendwann wieder trocken sein. Nur so können viele Gegenstände des täglichen Gebrauchs ihren Dienst wieder verrichten. Das gilt besonders für die Wäsche.

Sie ist dem ewigen Kreislauf von schmutzig und rein, nass und trocken in besonderer Weise unterworfen. So ist sie  ein sichtbares Symbol von ständiger Vergänglichkeit und Neubeginn.

Wäsche hat nur ein Ziel: Sauber und trocken bis zum Verschleiß zu dienen und ihr ist es egal, wie wo und wann sie trocknet. Und dieser Kreislauf galt seit Anbeginn, gilt heute und ihn wird es in 1000 Jahren noch geben. Allen maschinellen Hilfsmitteln über die Jahre zum trotz, ob als Mangel bis zum modernen Wäschetrockner, ist und bleiben Sonne und Wind ihre verlässlichsten und treuesten Freunde. Die Sonne scheint und wärmt, sie trocknet und als Zugabe bleicht sie auch noch. Und all dies völlig kostenlos und umweltfreundlich.

Was liegt näher als diese wunderbare Dienstleistung für alle Formen des Trocknens zu nutzen.

Allerdings ist dieses Ansinnen nicht ganz ohne Probleme und ist doch ein wenig komplizierter, als es im ersten Moment scheint. Denn jegliche Wäsche braucht zum trocknen einen Platz, um die wärmende Leistung der Sonne zu nutzen: Ob als direkte Einstrahlung oder  am schattigen Ort. Doch nicht Jeder hat diese Möglichkeit, hat Garten oder Balkon, Fenster, Terrasse oder Dachboden.

Aus diesem Grund entwickeln Menschen kreative und außergewöhnliche Möglichkeiten, um dieses dringende Bedürfnis zu befriedigen: Der Wunsch nach dem getrockneten Hemd oder der sauberen Unterhose. Doch hier beginnt ein weiteres Problem, denn was dem einen der Wunsch ist dem anderen ein Ärgernis.

So geschehen zum Beispiel in Euskirchen, wo es Mietern in Abs. 2 Nr. 5 der Hausordnung versagt wurde, „großeWäsche“ in der Wohnung trocknen. „Das Trocknen der Wäsche hat, sofern Trockenspeicher, Waschküche oder Bleiche vorhanden sind, nur dort zu erfolgen, niemals auf den Fluren, Veranden und Balkonen“. Grund? Dem Vermieter gefiel das besagte Trocknen nicht. Er sah durch die Wäsche und den Wäscheständer eine optische Beeinträchtigung seines Grundstückes. Daher verklagte er die Mieter vor dem Amtsgericht Euskirchen auf Unterlassung des Wäschetrocknens.

Das Gericht wies die Klage allerdings ab. Der Vermieter könne sich hinsichtlich seines Unterlassungsanspruchs nicht auf die Hausordnung berufen. Die Hausordnung regle lediglich das Trocknen „großer Wäsche“. Gelegentliches Auslüften von Sportkleidung und das Trocknen von Kinderwäsche falle aber nicht unter „große Wäsche“, befand das Gericht. Es konnte auch keine optische Beeinträchtigung des Grundstücks feststellen. (Urteil 1995).

Allerdings ist Wäsche nicht gleich Wäsche. Es gibt die „kleine“ und die „große“ Wäsche, es gibt Reizwäsche, Putzlappen oder Babywindeln, durch deren u.U. anstößigen Anblick sich Mieter belästigt fühlen können. Laut Mietrecht dürfen tatsächlich andere Mieter nicht gestört werden und es ist sinnvoll, dies mit seinen Nachbarn auf dem kleinen Weg, sprich in gegenseitigem Einverständnis, zu klären. Daran sieht man: Wäschetrocknen ist nicht trivial, wie auch Beispiele aus Kanada und den USA zeigen. In Amerika ist es zum Beispiel in vielen Hinterhöfen verboten, Wäsche zu trocknen. Oft empfindet der Vermieter Wäscheleinen als ästhetisches Übel und manche Ortsgemeinde lässt es generell nicht zu, Wäsche sichtbar aufzuhängen.

Und eine mehr als 30 Jahre alte Verordnung in der kanadischen Hauptstadt Ottawa verbietet es, in den Gärten Wäscheleinen zu spannen und Wäsche zu trocknen – aus grundästhetischen Erwägungen heraus. Allerdings hat sich bereits eine Gegenbewegung formiert. Alex Murter vom Stadtrat will diese Verordnung rückgängig machen: „Es macht doch keinen Sinn, Hauseigentümer zu zwingen, Wäschetrockner zu benutzen, wenn sie es nicht wollen, vor allem wenn es draußen 30 Grad heiß ist.“ Jetzt soll ein Planungsauschuß eingerichtet werden mit dem Ziel, dass jeder seine Wäsche flattern lassen kann wo er will.

Auch in den USA hat sich die Bürgerbewegung „Right to dry“, formiert, die grundsätzlich jedem das Recht zugestehen will, seine Wäsche an der frischen Luft zu trocknen. Auf ihrer Internetseite www.laundrylist.org  heißt es zum Beispiel: „Haben Sie es satt, dass Sie ihre Kleider nicht draußen aufhängen dürfen?“. Allerdings argumentiert die Bewegung nicht mit der Ästhetik, sondern mit der Ökologie und dem Treibhauseffekt. Der elektrische Trockner schlucke zu viel Energie und einen zu hohen Ausstoß von Kohlendioxid. Außerdem sei es gesund, Wäsche im Freien auf die Wäscheleine zu klipsen. Tatsächlich hat „right to dry“ einen ersten Erfolg im Bundesstaat Vermont. Dort gibt es inzwischen einen Gesetzesentwurf mit dem Ziel, jedem das Recht auf öffentliches Trockenen zu ermöglichen: „Kein Vertrag, welcher Art auch immer, eingeschlossen Verträge zwischen Vermieter und Mieter, kann eine oder mehrere Personen davon abhalten, seine Wäsche im Freien zu trocknen“.

Unabhängig von jeder Frage von Erlauben und Verbieten geht es in dem kleinen Fotoprojekt „Vom Winde umweht, von der Sonne verwöhnt“ darum, wie die Wäsche im Freien das Bild verändert. Und was sie aussagt über die Menschen, die dort wohnen. Gibt es eine Reihenfolge der Hängung, werden große und kleine Wäsche getrennt, gibt es tatsächlich „anstößige“ Formen der Wäsche und eine Einschränkung der Ästhetik im Auge des Betrachters?

Die Fotos sind zwischen 2016 und 2020 entstanden, viele davon in südlichen Ländern wie Sardinien, Portugal oder auf Korsika, Niederlanden, ein großer Teil in Deutschland. Vielleicht sehen Sie nach diesen Bildern ja mit einem anderen Blick auf die kleine und große Wäsche am Seil.

TEXT und BILDER C Michael Troesser

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