Paul Bartsch

 

Es gibt sie tatsächlich noch. Diese Barden, bei deren selbstkomponierten und anspruchsvoll getexteten,  kritischen, persönlichen oder witzigen oft auch poetischen Liedern man nicht weghören kann, wenn man sie im Radio hört. Oder sofort den Sender wechselt. Je nachdem, auf welcher musikalischen Welle man gerade schwimmt. Ältere müssen sofort an Reinhard Mey, Konstantin Wecker oder Franz Josef Degenhard denken, wenn man die Lieder von Paul Bartsch hört, die mit guter Gitarre und Hintergrundband einem nicht nur Geschichten erzählen, sondern auch klare Botschaften liefern, an denen man sich reiben kann oder mitsingen möchte und die einem so schnell nicht wieder aus dem Kopf gehen. Früher hießen sie Liedermacher neben den Schlagersängern, als es noch eine englischdominierte Musiktextszene gab. Inzwischen  gibt es den neuen, deutschsprachigen Pop, deren atemlose, eben noch die Welt rettenden und mailcheckenden Texte  man als neue deutsche Weltschmerz-Songromantik bezeichnen könnte. Davon heben sich die Lieder des Barden aus Halle wohltuend ab. 

Paul Bartsch komponiert und textet seine Erfahrungen, Ideen, kritischen Weltsichten oder politischen Haltungen zu Liedern mit Gitarre, seit 2003 begleitet von seiner „Bordkapelle“ und oder unterschiedlichen Gastmusikern. Mit „Liebesland“  hat Bartsch nun seine siebente Studio-CD veröffentlicht über die er selbst auf dem Cover schreibt, diese sei aus mehreren Gründen seine „persönlichste Scheibe“ geworden und dies macht einen natürlich neugierig und führt einen unweigerlich auf eine Spurensuche bei den 13 Songs (Plus 3 Bonus-Lieder aus Livemitschnitten). 

Im ersten Moment denkt man, es gehe hauptsächlich um die aktuelle Politik in Deutschland, z.B.  wenn er bei dem Tango der Schwarmintelligenz singt: “Die leisen Mahner haben schon verloren, wenn Populismus mit der Lüge hurt“ oder bei dem tiefsinnigen Lied: „Alternative für D.“ mit der Essenz „Wir baun uns `ne Alternative für unser Deutschland – so wird´s gemacht: Aus Offenheit, Hoffnung und Liebe und gesundem Verstand – das wär´ doch gelacht.“ 

Doch je mehr man sich hinein hört in die Texte, umso mehr entdeckt man einen nachdenklichen Sänger, der einem Einblick gewährt in die fragilen Innenseiten seiner Seele auch ohne jede politisch kritische Bissigkeit. Es hört sich an wie eine Selbstvergewisserung, wenn er mit seiner wichtigsten Botschaft beginnt, die sehr viel mit Verortung zu tun hat: “Als ich bekannte, dieses Land zu lieben, hat man mich neulich ausgelacht. Da hab ich nachgedacht und aufgeschrieben, was diese Liebe so besonders macht.“  Dann kommen Strophen wie Liebeserklärungs-Alliterationen, in denen er wunderbar beschreibt, dass er das Land liebt wie eine Frauwie einen Mann, wie ein Kind, wie einen Feind, einen Rucksack und es endet mit der Erkenntnis:“Ich liebe dieses Land nicht ohne Schmerzen, wie ich mich selbst nicht immer leiden kann, und nehme doch im Grunde meines Herzens meine Schwächen und auch seine an“. Poetischer kann man eine solche durchaus nicht unumstrittene Beziehung eines Seins zu seinem Ort kaum ausdrücken als in einer solchen Ode an die Heimat. 

 Bis zum Ende der Songs auf der CD schlägt er einen weiten Bogen, denn dort geht es um die zweite Grundbedingung des Dasein neben dem Ort, nämlich der Zeit: “Wer weiß schon, was an Zeit und bleibt…“ und alle Lieder dazwischen handeln von diesen beiden Komponenten, mal in fröhlichen, mal sehr ernsten und traurigen Momenten. So singt er von seiner Urlaubszeit auf Gumera, seinem internetfreien Tag („Mein Tablet nehm ich als Tablett, auf dem ´ne Flasche Rotwein steht“) oder dem Stundenglas, in dem die Zeit verrinnt und die Frage im Raum steht, was man im Ruhestand anfängt.

Ebenso persönlich sind die beiden emotionalsten Stücke der CD. Das Lied zum Tod eines Freundes („Viel zu früh“ –  „Warum schickt er seine Krebsarmeen grade gegen Dich ins Feld…“) oder der Wiedergeburt nach einer wohl schweren Krankheit („Der Morgen war sonnig und klar“ Wiedergeburt am 22.1.2017) zeigen einen Sänger, dem es gelingt, den dramatischen Momenten eine leise nahhallende Form in Text und Melodie zu geben.

 Aber all diese Texte wären nur die Hälfte wert, ohne eine sehr unterschiedlich und erstklassig  arrangierte Musik, sehr genau angepasst an die erzählten Geschichten. Nur so wird alles zu einem Gesamtkunstwerk hochprofessioneller Musiker (Thomas Fahnert, Sander Luecken, Gerd Hecht und Ralf Schneider) ergänzt durch musikalische Gäste mit Saxofon, Querflöte, Violine und Chor (Frank Nowicky, Thomas Einecke, Jocie, Angel, Sophie, Florentina, Jola und Josephine).

Bartsch titelt seine Homepage „Zirkustiger“ und seine zahlreichen CDs machen immer wieder deutlich, was dieser Name für ihn bedeutet: Auf den Zirkus Welt mit den Augen des augenzwinkernden Clowns ebenso zu schauen wie mit den Zähnen eines bissigen Tigers. Und das Leben zu erzählen und besingen in der gesamten Bandbreite, nämlich dem täglichen Drama und der täglichen Leichtigkeit und Freude des Daseins gleichermaßen. Die CD Liebesland ist eben auch eine Liebeserklärung an den Zirkus, der Leben heißt.

 Und am Ende wünscht man sich, dass dieser Barde uns noch oft den Zirkus Welt besingt und man im Radio aufhorcht, wenn man ihn hört und keine  anderen Sender mehr suchen will. 

In seinem anderen Leben ist der promovierte Zirkustiger Paul Bartsch Hochschulprofessor für Medienpädagogik in Merseburg, ist seit 1978 verheiratet, hat zwei Kinder sowie zwei Enkelkinder und wohnt in Halle (Saale). Seit seiner Studentenzeit macht Bartsch in unterschiedlichsten Bandkonfigurationen Musik, schreibt seit 1981 eigene Songtexte, ab 1993 die Liedtexte für die jährliche Weihnachtsrevue im Steintor-Varieté  die rund 30.000 Besucher .                        

Bartsch hat neben wissenschaftlichen Texten eine Reihe literarischer Bücher  veröffentlicht, so z.B. 2018 die Neuauflage der Novelle „Große Brüder werfen lange Schatten“. Aber das ist wieder eine andere Geschichte und man fragt sich, wie viel eigentlich in ein einziges  Leben eines Zirkustigers geht….>>>LINKS

https://www.zirkustiger.de/    https://www.youtube.com/results?search_query=%22Paul+Bartsch%22       

Paul Bartsch & Band: LIEBESLAND (CD, 2018)12,00 € inkl. MwSt. zzgl. Versandkosten

Fotos des Blogbeitrages:  Jubiläumskonzert Juni 2918  /C Horst Sulewski                                                                                                    

Text: C Michael Troesser