Manchmal wird er auf der Straße von jemandem angesprochen, der ihn ansieht, lächelt und sagt: “Sie haben mich mit meinen neuen Zähnen richtig glücklich gemacht“. Dann freut er sich und lächelt zurück. Denn Dr. Helmut Brinkmann ist Zahnarzt und hatte bis 2011 zusammen mit seiner Frau, der Kiefernorthopädin Dr. Brigitte Brinkmann-Genenger, in der Ratinger Innenstadt eine Zahnarztpraxis. Seit dem Verkauf der Praxis hat er angefangen zu malen und verkauft ein großformatiges Bild nach dem anderen.
Dabei war das Malen nie das Thema in seiner Kindheit, Jugend aber auch in einem langen Berufsleben nicht, außer ein paar Bleistiftskizzen, die er abends kritzelte, wenn er „Langeweile“ hatte.
Seine Wurzeln stammen aus einem Dorf bei Hildesheim und sein Vater war Schneidermeister. Bis heute kann Dr. Brinkmann mit der Nähmaschine umgehen, vielleicht kommt ja daher auch seine Vorliebe für Bilder, in denen Textil zu sehen ist (Mäntel, Jacken…). Nach dem Abitur studiert er in Köln und Düsseldorf Zahnmedizin, weil ihn das „handwerkliche“ Arbeiten als Zahnarzt stärker reizte, als die Allgemeinmedizin.
„Unten im Labor der Uniklinik war eine viel persönlichere Stimmung als in einem großen Vorlesungssaal“, sagt er. „Hast Du mal ein Messer?“, “Brauchst Du noch Gips?“ Dabei verliebt es sich in seine Frau. Nach Studium und Promotion suchen sie eine Zahnarztpraxis und werden in Ratingen fündig: “Weil viele Zahnärzte alt waren oder aufgehört hatten“. Sie zogen nach Ratingen, 1980 kam Felix und langsam wurde dann Ratingen die Heimat der Familie, bis heute.
Als er dann 2011 seinen Ruhestand beginnt, fallen ihm die alten Postsäcke aus Amerika ein, die sein Schwager liegen gelassen hatte und die eigentlich in den Container sollten. Aber die Säcke haben 10 Jahre im Keller überlebt und wurden durch Brinkmanns Kreativität zu neuem Leben erweckt. Er schneidet die schweren Leinensäcke auseinander, formt daraus eine 1×1, 20 Meter große Leinwand, kauft sich Abtönfarbe im Baumarkt und malt sehr expressiv aus zwei solcher Säcke seine ersten, farbenfrohen Bilder. „Beide wurden bei meiner ersten Ausstellung in einem Nobelfriseursalon an der Kunstakademie Düsseldorf verkauft“. Das war der Beginn einer Glücksträhne, die bis heute anhält. Er sagt in seiner bescheidenen Art: “Vielleicht kam da ja ein Talent zum Ausbruch.“
Bei seinen großformatigen Bildern, oder grade bei ihnen, muss alles bis ins Detail stimmen:“ jede Feinheit, die letzte Falte, der kleinste Schatten, die unwichtigste Proportion, die Gesamtperspektive“, sagt Brinkmann. Hier scheint vielleicht ja wieder sein Leben als Zahnarzt durch. Auch da muss jede kleinste Feinheit stimmen, jedes noch so kleine Detail, jeder unwichtigste Zahn im Zusammenhang mit dem gesamten Gebiss. Er beherrscht die Kunst des gegenständlichen Malens perfekt, obwohl er nur einmal einen Kurs bei einer Düsseldorfer Malerin besucht hat. Diese Gegenstände können statische, lineare Objekte ebenso sein wie weiche filigrane Motive, oft surreal kombiniert. Genau diese Grenzlinie zwischen einem erkennbaren Objekt, in surreale Zusammenhänge gesetzt, mögen die Betrachter. Er kann so einen bekannten Gegenstand wie einen Mantel durch seine eigene Phantasie ergänzen.
Trotz aller Konzentration und Können gibt es bei jedem Bild auch immer wieder Fehler, Verbesserungen, falsche Verbindungen usw. „Meine Frau ist meine beste Kritikerin. Auf ihren Blick, sie hat früher übrigens auch einmal kurz gemalt, kann ich mich einhundert Prozent verlassen. Wir stellen jedes neue Bild im Wohnzimmer auf und je länger wir drauf schauen, um so mehr sehen wir in dem Bild“.
Mit seiner Frau hat Dr. Brinkmann noch ein weiteres Leben gemein, die zahnmedizinische Betreuung von Menschen in einem Armenviertel von Myanmar. Die Idee kam ihnen bei einer Flussfahrt ins Landesinnere . Dort sahen sie, wie der Schiffarzt bei jedem Aufenthalt des Schiffes an Land ging, um die arme Bevölkerung medizinisch zu betreuen. Später dann arbeiteten sie bei einer Zahnstation mit, die ein deutsches Zahnarztehepaar unter einfachsten Bedingungen für die arme Bevölkerung dort für jeweils 3 Monate während der Regenzeit dort betreibt. „Am Anfang wurden die Menschen mit ihren oft grenzwertigen Gebissen auf eine nach hinten kippbaren Liege von Obi behandelt“, bemerkt Dr. Brinkmann“ . Mit leuchtenden Augen kann er viele Geschichten aus den bisher drei jeweils 6 wöchigen Aufenthalten erzählen: „Morgens kamen die Patienten, oft ganze Schulkassen und schauten bei der Behandlung zu, denn ein Wartezimmer gab es nicht“. Die Behandlungseinheit ist zwar heute durch zahlreiche Spenden etwas komfortabler geworden , wird aber immer noch durch zahlreiche Stromausfälle erheblich gestört. “Die Natur ist göttlich in dem Land“, sagt er, “Aber hinter der Praxis lagen stinkende Ratten zum trocknen, vorbereitet zum Verzehr.“ Flüge, Lebensunterhalt usw. hat das Arztehepaar selbst finanziert. „Das ist unser sozial Beitrag für die Menschen“ sagt er, als gehe es um eine Spendenquittung über 50 €.
Nach drei Jahren haben sie das Projekt jetzt beendet. Und Dr. Brinkmann kann sich nun intensiver seiner Phantasie und Kreativität widmen, die sich immer wieder ihren kraftvollen Weg durch ihn hindurch bis hin zum Pinsel sucht.