Friedhelm war Kind seiner Zeit. Nach der schlimmen Kriegszeit, dessen Zeitzeuge er zeitweise war, war ihm die Zeit das höchste Gut, wie ein Geschenk des Himmels. Zeitlebens war Friedhelm ein Zeitmensch. Zeitig klingelte seit ewiger Zeit jeder Morgen zu gleicher Zeit sein Wecker. Dann stand er schnell auf, um nach zwischenzeitlichem Durchblättern der Zeitung keine Zeit zu verlieren, denn er wollte zeitnah im Büro sein. Doch von Zeit zu Zeit kam es vor, dass er während der Stoßzeit in der S-Bahn mit anderen Zeitgenossen saß und über die Zeitansage hörte, dass sich die Fahrzeit verzögert, für ihn eine vergeudete Wartezeit. Denn bald war es für ihn höchste Zeit!
Wenn er dann an der Zeiterfassung seiner Firma für Zeitmanagement stand, war er froh, nach Schulzeit, Zeit an der Uni, Probezeit und einer kurzen Bedenkzeit beizeiten zum richtigen Zeitpunkt die Zeichen der Zeit erkannt und seinen befristeten Zeitvertrag in einen unbefristeten umgewandelt zu haben. Es folgte damals seine Blütezeit im Büro, in dem er zeitlebens arbeiten würde. Um seine Arbeitszeit effektiv zu nutzen, keinen Zeitdruck zu haben und keine Zeit zu verlieren, machte er sich jeden Tag einen Zeitplan und arbeitete vieles gleichzeitig ab. Denn Zeit ist Geld, dachte er, zu jeder Zeit. Selbst während der Mittagszeit oder den Zeitpausen dachte er daran, ob er genug Arbeitszeit hatte, um alle Dinge zeitgerecht erledigen zu können. Er nahm sich zwar zeitweise eine Auszeit oder Urlaubszeit, sogar nach der Zeitverschiebung oder der Fastenzeit, doch dabei hatte er immer Sorge, zu viel Zeit seiner Arbeitszeit und so seiner Lebenszeit zu verlieren. Auch für die Liebe hatte Friedhelm wenig Zeit. Wenn er zur Sommerzeit eine zeitlose Schöne kennenlernte, nahm er sich für sie zu wenig Zeit und so hielten die Verhältnisse immer nur eine kurze Zeit. So dachte er zu keiner Zeit an eine Hochzeit. Denn genug Zeit war zu jeder Zeit ein wichtiger Bestandteil jeglicher Liebe. Manchmal las er zwar in der Zeitschrift „Die Zeit“ über den Zeitgeist, doch meist war ihm der Zeitaufwand zu groß und er widmete sich irgendeinem anderen Zeitvertreib, denn eigentlich wollte er die Zeit nicht vertreiben. Lieber freute er sich auf die sicheren Zeitspannen im Büro.
Ein jegliches hat allerdings seine Zeit, so auch Friedhelms Lebenszeit. Denn der Zahn der Zeit ging auch an ihm nicht vorüber. Irgendwann war auch seine Zeit gekommen und er musste das Zeitliche segnen. Allerdings hatte er dazu wenig Zeit, denn der nächste vorzeitig Verstorbene wartete zeitnah. Ach du liebe Zeit!