Wann ist der Mensch zufrieden, wann glücklich, wann wunschlos glücklich?

Welche Rolle spielt hierbei der Wunsch selbst, dieses Verlangen und diese Sehnsucht nach Erfüllung? Und ist diese Erfüllung gleichsam auch Zufriedenheit oder sogar das Glück selbst? Eins ist klar: Der Wunsch ist eine zentrale Triebfeder des Menschen, fast noch größer als der Wille, zumindest emotionaler und er durchzieht die Märchen ebenso wie die Realität, die Warenwelt und die Religionen seit Anbeginn. Diese Sehnsucht, wunschlos glücklich zu sein, ist also letztendlich die Sehnsucht nach einem Status ohne Wünsche, eingetauscht gegen Glück. So ist – oberflächlich betrachtet – der Wunsch eher ein Mittel zum Zweck, nicht der Zweck selbst.

Der Christ hat es einfach in dieser Frage. Er kann sich dem Leben und seinen Wünschen bedenkenlos stellen, wohlwissend, dass all dieses Streben und all die Sehnsucht, wunschlos glücklich zu sein, relativ sind, weil dahinter immer noch der größere Wunsch steht, im ewigen Leben letztendlich glücklich zu sein. Er kann sich auf den heiligen Augustinus berufen, der eine klare Antwort weiß: “Unruhig ist unser Herz, bis es Ruhe findet in Gott.“  Das ist doch eine schöne Aussicht, allerdings nur, wenn man trotzdem treu die 10 Gebote befolgt, selbst wenn die Wünsche des Ruhelosen auf dieser Welt Anders wollen.

Der ruhelos Gottlose hingegen muss sein Herz im Diesseits an die Hand nehmen und findet seine Ruhe nur, wenn er gelernt hat, dass Wunsch und Glück sich nicht unbedingt bedingen, wenn es um Zufriedenheit geht. Ihm muss der Spagat gelingen zwischen dem, was er wirklich wünscht und dem, was er wirklich will. Zwischen dem, wovon er träumt und dem, was er hat oder aber haben könnte. Denn dann weiß er, wer er ist, was er hat und was er braucht. Dann ist er zufrieden und kann gelassen jeder Verführung entgegensehen und jeden Traum träumen. Glaubt er zumindest. Daran sieht man, dass Wünschen doch viel mit Glauben zu tun hat.

Darf es noch etwas größer, schneller, besser sein? In zwei Monaten kommt die neuere Version, in zwei Jahren die Turbo-Ausführung. In 4 Jahren gibt es das selbstfahrende Auto. In 10 Jahren das fliegende Fahrrad. In 20 Jahren das erste künstliche Auge. (Und in spätestens 100 Jahren – unabhängig von jedem Wunsch – kommt der Tod.)

Kaufen, warten oder gar verzichten? Ist das eine erst erreicht, muss das Nächste her, sind die ersten Stufen der Lebensleiter erklommen, müssen immer höhere erzielt werden, in rasantem Tempo und hängender Zunge den Wünschen hinterher, immer begierig der Erfüllung entgegen. Auf der Suche nach Zufriedenheit. Bei einem linearen Fortschrittsdenken ist Stillstand Rückschritt. Innehalten eher suspekt. Zufriedenheit kontraproduktiv, weil sie die Produktion und das Bruttosozialprodukt schwächt. Denn warum sollte der Zufriedene kaufen, was der Glückliche konsumieren, wenn er wunschlos glücklich ist? Was der Satte essen, wenn der Hunger gestillt ist?

Der Wunsch und das Verlangen sind die eigentliche Währung des Warenverkehrs. „Haben sie noch einen Wunsch?“ fragt der Verkäufer und erfüllt damit dem Käufer wie sich selbst einen Wunsch, u.U. für beide notwendig zum Überleben. Und die Meinungs-forschungsinstitute ermittel in tausenden von Interviews, was die Menschen wünschen oder wünschen könnten, ob sie es nun brauchen oder nicht. Die gesamte Mode lebt davon. Das Neue kommt dann zeitnah in die Schaufenster, durch kreativ verführende Werbeagenturen kräftig umworben.

In unseren Breitengraden fängt die Moral des Wünschens sehr einfach an: sie beginnt beim Verführen. Ich kann scheinbar nur glücklich sein, wenn ich eine bestimmte Marke besitze, ein ganz bestimmtes Produkt, ein besonderes Gefühl, ein besonders Tier oder aber der Wunsch nach der Zuneigung eines ganz besonderen Menschen. Dabei kann der Wunsch schnell zum fremdbestimmten Traum werden oder gar zu einem Trauma, wenn Erfüllungssucht  zum Zwang wird. Nicht ich will eigentlich die Marke, sondern die Marke will mich bzw. mein Geld. Und die Werbung ist die schillernde Nymphe, der verführerische Satan, der an meinem Wunsch-Glücks-Rad dreht. Und kaum etwas ist schöner, als von Schönem verführt zu werden. Auch wenn das Schönere noch lange nicht das Schönste ist. Oder gar das Allerschönste. Und der immer wieder gerne Verführte weiß natürlich, dass selbst das Allerschönste noch lange nicht das wirklich Allerallerschönste ist. Aber eigentlich ist es dem rastlos Wünschenden auch egal, Hauptsache, er wird einmal mehr verführt. Und hat wieder den kurzen Moment vermeintlicher Zufriedenheit. Auf auf zum neuen Wunsch. Bis zum Ende.

Hat man schließlich das Ersehnte, ist man immer noch nicht zufrieden. Nörgeln und Stöhnen, Kritisieren und Nölen – das ist der Mensch, dieses nie zufriedene Wesen. Es ist nie zufrieden, weil es immer neue Wünsche hat, dieses tiefsitzende sehsüchtige Verlangen, das einen zur Verzweiflung und zum tatkräftigen Handeln gleichermaßen bringen kann. Dem Paradigma der linearen Erfüllung gehorchend. Und jede Aba Kadraba Meditation glaubend probiert.

Was aber wäre die Welt, was wäre die Wirtschaft, ohne das Wunder des Wünschens, was wäre unser Antrieb, wenn unsere Welt paradiesisch wäre, alle Wünsche erfüllt, alle Sehnsüchte gestillt? Was hätte Adam an Eva und Eva an Adam gefunden, wenn beide keine Wünsche füreinander und miteinander gehabt hätten? Sie wären wunschlos glücklich gewesen, paradiesisch eben, und hätten keinen Antrieb gehabt, selbst nicht den, von der Rippe des Gegenübers verführt zu werden.

Wären sie nicht aus dem Paradies vertrieben worden, säßen sie vielleicht immer noch träge und abgefüllt unter dem Baum der Versuchung, ohne jeden Kinder-Wunsch als Beginn der Menschheit und genössen ihr ewiges Glück ihrer Zweisamkeit. Letztendlich sind sie doch aus lauter Langeweile (oder Gottes fügender Hand) zum Glück der satanischen Versuchung und der Sehnsucht nach dem Glück des kleinen, kurzen Momentes der Zweisamkeit erlegen. Sie haben so den Glücksmoment mit dem permanten Glück des Paradieses getauscht.

Erst der Wunsch und die Zeitlichkeit lassen uns forschen und bauen, konstruieren und erfinden, sie sind die Triebfedern, die Ideen, Träume und Sehnsüchte wahr werde zu lassen. So ist die Vertreibung aus dem Paradies zwar das Verlassen eines permanenten Glückszustands, gleichsam aber auch die täglich strebende Kraft, die Menschsein ausmacht und uns zu immer neuen, zeitlich begrenzten Momenten des Glücks und der Zufriedenheit führt.

Die Kunst ist nun herauszufinden, was wirklich „meine“ Wünsche sind, die ich wirklich will, die – wenn sie erfüllt sind – mich selbst ausmachen, ja die mich ein Stück glücklich machen, und wenn auch nur für eine Zeit. Wo beginnt mein Glück, wo das Glück meines Nächsten? Hier kann das Wünschen sich mit dem Du und der Liebe koppeln: wie kann ich herausfinden, was Du wünschst? Wie kann ich meine und Deine Wünsche abstimmen, ohne dass einer von uns zu kurz kommt? Wie kann ich meine Wünsche zurückstellen zugunsten Deiner Wünsche, ohne dabei zu leiden? Dies herauszufinden ist oft ein jahrelanger Prozess einer Beziehung, zumal sich die Wünsche ändern und ich morgen oft selbst nicht mehr weiß, was ich gestern wünschte – und dies auch noch bei zwei Menschen, die in Nähe und Distanz miteinander Leben verbringen und dabei noch beide „wunschlos“ glücklich werden wollen, ein schwieriges Unterfangen, woran viele Paare scheitern.

So könnte das eigentlich „Himmlische“ bereits auf dieser Welt beginnen, ist aber leider nie von Dauer. Denn die Dauer selbst ist der Feind des Glücks, der seinen heimlichen Packt mit dem Moment geschlossen hat. „Werd ich dem Augenblicke sagen: Verweile doch, du bist so schön“ heißt es bei Goethe. Doch ach – das Verweilen lässt den Moment schal werden und das Glück darin vergehen. Denn das Glück hat der Mensch eben durch die Versuchung mit dem Dauerglück des Paradieses getauscht. Der nächste Wunsch lässt nicht lange auf sich warten. Er ist der Transmissionsriemen zum neuen Moment kurzer Erfüllung, immer wieder.      

So ist das eigentliche Glück viel eher die Geschichte eines längeren Zeit-Raums, einer Lebens-Geschichte eben. Und da kommt sie wieder ins Spiel – die Dauer. Doch nicht die Dauer des Momentes, sondern die Dauer eines ganzen Lebens. Und dies braucht Zeit und Geduld. Und wer hat die schon in dem so schnell und rastlos vorbeilaufenden Leben permanenter, bunter Verführungen und Verheißungen.

Am schönsten allerdings wäre es, als letzten Wunsch immer noch einen Wunsch zu haben, ohne zwingend auf seine Erfüllung zu warten. Dann wäre der Wunsch selbst die Erfüllung, nicht Mittel zum Zweck. Und Zufriedenheit wie Glück gleichermaßen. Allerdings wird es das nicht geben. Denn keiner würde mehr verführt und das System würde durch lauter Zufriedenheit der Menschen erstarren, auch wenn es wieder Paradies wäre. Das will keiner. Und darum wünschen und wünschen wir ein Leben lang, unabhängig von Erfüllung, Glück und Zufriedenheit.

Vielleicht beginnt an dieser Schnittstelle zwischen gestern und morgen der Unterschied zwischen Zufriedenheit und Glück: Kurze Zeit wunschlos glücklich und  dauerhaft zufrieden. Vielleicht gibt es aber auch eine Form von Lebenskunst, die beides vereint und nicht ausschließt. Das wäre dann der dauerhaft Glückliche auf dieser Welt, das allerdings ist nur ein schöner Wunsch, der leider nie in Erfüllung geht. Oder aber der Wunsch selbst, wenn er nicht erfüllt wird, ist das Glück, weil dann das Verlangen anhält und sich vielleicht in Zufriedenheit verwandelt.

Doch hier zeigt sich auch das Paradoxe des Wünschens: Denn wenn ich mir wünschen würde, keinen Wunsch zu haben, geht das leider nicht, denn in dem Moment ist das, was nicht erfüllt werden soll bereits erfüllt: Nämlich keinen Wunsch zu haben.

Und damit: Herzlichen Glückwunsch! Sie sind am Ende dieser kleinen Wunschgedanken angekommen. Und ich hoffe, diese ließen nichts zu wünschen übrig. Doch das ist sicher auch nur ein frommer und hoffentlich nicht der letzte Wunsch…

C Text und Bilder: Michael Troesser