Design statt Sein 

Wenn die smarte Eva Brenner mit ihrem Team ihren Einsatz bei der RTL 2 Dokusoap vor einem Millionenpublikum abwickelt,  bleibt kein Möbelstück auf dem anderen, bleibt keine über Jahre gewachsene und vielleicht in die Jahre gekommene Wohnkultur erhalten, jede liebgewonnene Farbe muss weichen. Und kein Auge bleibt trocken.

Denn Eva Brenner spielt die Wohngöttin und zaubert mit ihrem Team in ein paar Tagen, in denen die Familie ins Hotelasyl geschickt wird, aus den immer verkommenen, chaotischen, unaufgeräumten und unsäglich altmodischen Wohnungen und Zimmern neue, farbige und hochmoderne Wohnlandschaften. Schöner wohnen pur. Nachdem die 2006 mit dem Deutschen Fernsehpreis dotierte Serie wegen mangelnder Zuschauerzahlen eingestellt wurde, lebt sie nun als kleinere Version:  „Zuhause im Glück – Unser Einzug in ein neues Leben“ weiter.

Unterbrochen von minutenlanger Werbung, durch die das Unbegreifliche finanziert wird, werden die staunenden TV-Konsumenten Zeuge eines wahren Wunders, das Wunder der häuslichen Verwandlung. Auch wenn der unbedarfte Zuschauer denkt, es wäre wirklich eine Wandlung in drei Tagen. Aber der TV-Schauer möchte ja auch ein bisschen getäuscht werden, denn was wäre das Medium, wenn es genau so wäre wie das reale Leben. Es wenig Zauber also muss sein, und wenn auch nur drei Tage. Ein Wunder eben.

Vermeintliche drei Tage wird geräumt, aussortiert, gekauft, gezimmert, gestrichen und geklopft, bis schließlich aus den dunklen Höhlen der Vergangenheit helle Schaufensterarrangements entstanden sind. Jedes Zimmer ein kleines buntes Paradies, jede Küche eine mit modernster High-Tec ausgestattete Zeile, jedes Kinderzimmer eine hellblaue oder hell rosa  Kuschelkiste und aus dem langen Familienleben sorgsam zusammengestellten Wohnzimmern eine Lounge aus Lack und Leder.

Eva Brenner ist in ihrem Element. Sie dirigiert ein gefügiges Handwerkerteam, freut sich über jede Wohnidee und versucht sich völlig hineinzudenken in die reich Beschenkten, um es ihnen so schön, so neu wie möglich zu machen. Dabei macht sie es vor allem sich selbst so schön wie möglich, denn sie liebt Farben und das Arrangieren. Und nennt es Kreativität. Sie liebt es, Freude zu bereiten mit anderer Leute Geld, sie liebt es, im Mittelpunkt zu stehen und sie liebt vor allem die schönen Dinge und bedient damit das Wohnklischee der Moderne. Sie spielt Sendung für Sendung eine Barbie, die schöne bunte Puppenstuben baut, nur dass es hier nicht um Puppen geht, sondern um Menschen und nicht um Stuben, sondern um richtige Wohnungen. Und wir schauen zu. Wir können endlich einmal so nah in real existierende Wohnungen schauen, wie wir es uns bei unseren Nachbar nicht trauen. Hier können wir die Abgründe  von Abstellkammern ebenso voyeuristisch begutachten wie die verkommenen Schlafzimmer und verkalkten Bäder. Distanzlos nah und doch so fern. Vor allem fern von uns, die wir meist nicht so leben müssen.

Am Ende der Sendung dann der Showdown, der Plot als Höhepunkt. Die spannende Auflösung des Wunders. Im Spalier der klatschenden Nachbarn werden die Bedürftigen, Chaoten und Hilfesuchenden nach Hause geführt, wie die heilige Familie in ihre neuen heiligen Hallen. Ihnen, die vormals am Abgrund des Wohnens nicht lebten, sondern hausten, ihnen wird nun gegeben, ihnen werden die Augen geöffnet, ihnen wird gezeigt, was richtiges Wohnen, ja der „Einzug in ein neues Leben“ heißt. Der einzige Tribut, den sie zahlen müssen, ist, ihr Intimstes, ihre Innenwelt hinter den Wänden, ihre Heimstatt einem gaffenden Millionenpublikum zu öffnen – begutachtet, belacht, beneidet, bemitleidet, bestaunt.

Mit lauten „Ahs“ und „Ohs“ werden sie  in ihre neue Wohnwelt geführt, in ihr neues Leben, ihr neues Glück. Zwischendurch werden düstere Bilder von damals, vor einer Woche, Bilder von Zimmern vor der wundersamen Erlösung gezeigt. Wie konnte man da nur leben, wie hat man es nur da ausgehalten? Wehe, wenn da keine Tränen fließen, wehe, wenn die Frage kommt, wo denn die zwar nicht mehr ganz schöne, durchgesessene Couch geblieben ist , Omas Ofen oder der alte Seemannskoffer, der schon so viele Umzüge erlebt hat. Nein, hier gilt nur das überwältigtes Staunen, in dem neuen Leben zählen nur Tränen des Glücks, hier gilt nur der Dank an Eva  und ihrem Sender, der einem das Wunder ermöglicht hat, diesen Aufbruch in eine neue, farbige Freiheit. Jetzt ist sie endlich wieder wer, diese Familie, in einer Welt in der nur zählt wer zahlt. Und wenn es auch nur das Fernsehen, die Werbung oder wir alles sind, die zahlen.

Was am nächsten Tag geschieht bekommt  der TV Voyeurs, der vielleicht auch einige Tränen der Rührung und des Sozialneides wegdrückt, natürlich nicht mehr mit. Die Suche der reich beschenkten Familie nach dem, was wir Heimat nennen, dieses gewachsene tiefe Gefühl, das althochdeutsch „wohnen“ hieß, nämlich „zufrieden sein“, „sein“ und „bleiben“.

Wenn Eva mit gefülltem Euro-Säckel weitergezogen ist zu neuen alten Wänden, ist für die Familie nichts geblieben, wie es einmal war. Das Gewachsene ist einer dreitägigen Neukonstruktion gewichen. Das Sein ist zum Design, die neue Freiheit zur farbigen Fremdbestimmung verkommen.

C Text und Fotos Michael Troesser