Lara Bandilla bei PHILOART Wuppertal

EDEN oder die sanfte Revolution 

Lara Bandilla ist eine von den Künstlerinnen, bei der Wort und Bild, Text und Gemälde einander bedingen als zwei Seiten einer Darstellungsmedaille. Ihre Fantasie und Kreativität macht nicht an der Grenze einer Kunstform halt, sondern sie überschreitet die Grenzen, ihre Ideen suchen sich Raum in verschiedenen Genres, ihre Geschichten erzählt sie als Text ebenso wie als Bild. Und wenn dann beides zusammenkommt, nämlich der gelesene Text vor dem gemalten Bild formt sich im Betrachter und Hörenden ein mehrdimensionales eigenes Bild, eröffnen sich ihm wundersam neue Wege des Verstehens, der Interpretation und Sinne.

So geschehen am 18.11.2018 in der Atelier-Galerie PHILOART, die der Maler und Philosoph Dr. Lothar Düver am Wuppertaler Arrenberg in einem ehemaligen Ladenlokal betreibt. Hier las die Berlinerin Lara Bandilla ihre Geschichte „EDEN“ vor ihren Ölbildern “EDEN – September“ und „EDEN – Oktober“. Erst ganz langsam merkte man, wie sehr Text und Bilder eine Symbiose eingehen, und je mehr man von der Geschichte verstand, um so mehr konnte man Stück für Stück die Botschaften der Bilder entschlüsseln. 

Die Geschichte handelt von Daniel, einem jungen Mann mit einer besonderen Begabung, er hat ein spezielles Auge für die Natur: “Ich musste  eine Pflanze nur ansehen und ich wusste, wie es ihr ging“. Für ihn sind Pflanzen wie Menschen, die nur aufbegehren „wenn die Läuse am eigenen Stängel nagen.“  Und genau um diese hemmungslos zerstörenden Nager geht es in der Geschichte, allerdings sind es hier die Menschen, die an ihrem eigenen Stängel nagen, wohlwissend, dass man sich so sein eigenes und das Leben aller anderen zerstört, sich selbst und der Welt das Grab schaufelt. Dieses bekannte Thema der Naturbedrohung, Umweltverschmutzung und entsprechendem Weltuntergang wird hier in einer außergewöhnlich kreativen Geschichte erzählt. Denn dieser Daniel unternimmt zwei Ausflüge und in dieser Art road-story wird er vom smarten Studenten der Gartenbauwissenschaft mit kleiner Wohnung aber ohne Freundin zum einsamen, sanften Rebell, der sich und damit auch der Natur mit Hilfe der Natur damit auch sich selbst versucht, das verlorene Paradies zurückzuholen, den Garten Eden eben.

 Bei seinem ersten  Gang erleben wir Daniel, wie er aus der Unterwelt einer Konsumhölle, in dem es nach „klebriger synthetischer Kleidung“  riecht und in den Fresshallen den Menschen vor lauter Essen das Fleisch „schwach über den Hüften hängt“  mit der Rolltreppe und schweren Tüten bepackt in eine Oberwelt fährt, die auch nicht viel besser ist. Hier umspülen ihn unfreundliche Menschen, er sieht ab und zu einen großen Baum, „Gestrüpp, weit hinten ein trockenes Kiefernwäldchen“. Und als er dann mit seinen Tüten nach Hause kommt, verspürt er ein Unbehagen, „ein leichtes Jucken an der Seele“. Dieses Jucken und „die Schmerzensschreie der Kartoffel beim Schälen“ sind es, die ihn dann erneut aufbrechen lassen, um die bedrohte Welt zu retten. Er ist inzwischen davon überzeugt, dass die Pflanzen ausgerechnet ihn ausgesucht haben, um diese „sanfte Revolution“ durchführen zu können. Jetzt nimmt die Geschichte Fahrt auf. In die Gärten pflanzt er Riesenbäume. Er geht in ferienbedingt leere Wohnungen und Villen in Zehlendorf, um alles mit Pflanzen zu bedecken, ja fast könnte man sagen: ersticken. Denn er arbeitet mit „Sporen, Moosen, Flechten und Pilzen, vor allem in Badezimmern wachsen Pilze schnell, besonders, wenn man den Wasserhahn laufen lässt, gleiches gilt für Küchen und es schadet auch nichts, noch großzügig Schnecken, Spinnen- und Insektenlarven zu verteilen“. So kämpft Daniel sich durch Berlin mit seinen grünen Waffen und macht selbst nicht vor dem Brandenburger Tor oder der Start- und Landebahnen des Flughafens halt. Am Ende vom Lied geht er auf das Dach des „Bikini Hotels“ und schaut glücklich und stolz auf sein begonnenes Werk:  “Überall in der Stadt wuchert und wächst es“.

Allerdings – und das weiß auch Daniel – ist all dies leider nur eine Phantasie, ein schöner Traum, ein Märchen, eine heimliche Sehnsucht nach dem verlorenen Paradies oder dem Garten EDEN. Genauso ist ihm in seiner Phantasie für diesen apokalyptischen Ritt von Beginn an kafkaesk ein Hundeschweif gewachsen, der ihn die gesamte Geschichte über begleitet, vielleicht als Symbol zwischen Mensch und Natur oder ein Hinweis auf den Hund Cerberus, den Höllenhund aus der griechischen Mythologie, der den Eingang zur Unterwelt bewacht, damit kein Lebender eindringt und kein Toter aus ihr herauskommen kann. Aber das wäre dann wieder eine andere Geschichte über Daniel und die sanfte Revolution.

Leider bleiben einem bei einem einmaligen Vortrag der Autorin mit der schönen, ausdrucksvollen Stimme trotz begleitender Bilder viele Nuancen der auf mehreren Ebenen erzählten komplexen Geschichte verborgen. Das zeigte auch die anschließende rege Diskussion, bei der ein breiter Bogen gespannt wurde zwischen Politik, Philosophie und Psychologie, weniger um den Inhalt und Plot dieser einmaligen Kurzgeschichte.

Ein wenig zum Verständnis halfen natürlich in dem Zusammenhang die Ölbilder der Autorin mit Daniel, der trostlosen Stadt mit Straße und Häusern, die von übermächtigen Pflanzen und Bäumen überwuchert wird.

Diese Bilder überlasse ich allerdings, verehrte Leserin, verehrter Leser, Ihrer unbändigen Phantasie und tieferen Interpretation. Das ist zwar mit einiger Arbeit, Konzentration und Einlassen auf den Zauber des Farben und Formen verbunden, aber ich versichere Ihnen: Es lohnt sich. Viel Erfolg!

 

Lara Bandilla: “EDEN-Oktober“,  2017

 

Lara Bandilla stammt aus Hamburg und hat bis heute einen weiten Weg mit mehrjährigen Aufenthalten in Rom und USA sowie Ausstellungen von Shanghai bis Washington hinter sich. Sie ist eine kosmopolitische Künstlerin, die sich zwischen den Welten von Text und Wort bewegt und der es gelingt, der „Realität, die als Gegensatz zur persönlichen Freiheit empfunden wird“ einen künstlerischen Raum zu geben. So sind ihre Bilder perfekt inszenierte Grenzgänge zwischen Realität und Phantasie, zwischen fotorealistischer Präzision und abstrakter Malerei. Sie wohnt und arbeitet in Berlin, hat drei Kinder und schreibt an ihrem ersten Roman.

http://www.larabandilla.de/

 C Text : Michael Troesser / Fotos : Lara Bandilla
Kategorien: Kunst